Erschienen im Tagesspiegel am 28.03.2020
Was steht ins Haus?
In unserer neuen Wohnanlage sind die Treppen und einige Wandbereiche mit Naturstein, einem beige – farbigen Marmor verkleidet. Zur Abnahmebegehung hatten wir zahlreiche Risse in den Stufen und Platten mit unterschiedlichen Farben bemängelt. Bei der Nachbegehung wurde uns dann gesagt, das seien alles keine Mängel, die Risse und Oberflächenvertiefungen wären Farbmuster im Stein und auch die verschiedenen Farben seien hinzunehmen. Uns verwundert das, zumal es sich um ein teures Material handelt; dies muss doch in einem gleichmäßigen Farbton zu bekommen sein!
Was steht im Gesetz?
Naturwerksteine sind gewachsener Fels, der in den Gebäuden verlegt wird. Alleine durch den Schliff der Oberfläche entstehen verschiedene Erscheinungsbilder und Rauigkeiten, die z.B. bei den Treppenstufen gefordert sind. Teilweise werden dadurch auch die natürlichen Farben verstärkt. Die Natursteine selbst sind nicht einheitlich, auch nicht bei gleichen Steinarten. Jeder Steinbruch hat eine eigene geologische Vergangenheit und Geburtsstunde. Oft sind nur die Bestandteile gleich, Farben und Erscheinungsbilder jedoch völlig unterschiedlich. Da die Natur Sedimentschichten oder flüssige Phasen zu Fels zusammen „backt“, können keine gleichmäßigen Strukturen entstehen, und auch keine einheitlichen Farben. Manche Natursteine, wie kalkhaltiger Marmor, teilweise mit Versteinerungen, haben zudem oftmals keine geschlossenen Oberflächen, d.h. Ausbrüche, wie Astlöcher beim Holz, sind unvermeidbar. Hier können im Rahmen der Verlegung oder Nachbearbeitung Ausbesserungen mit Steinersatz durchgeführt und dadurch eine Farbähnlichkeit hergestellt werden. Dies wird in der VOB/C als technischem Grundlagenwerk beschrieben. Ebenso wird der Hinweis gegeben, dass es innerhalb eines Steinbruchs zu Farb- und Strukturschwankungen kommen kann, die auch im Rahmen einer Bemusterung kaum abgebildet werden können. Die Lieferanten und Verarbeiter sichern sich also ab, so dass nicht jede Ungleichmäßigkeit zum Mangel erhoben wird.
Und wie stehen Sie dazu?
Das Farbspektrum der Natursteine ist breit – dies ist der Reiz gegenüber industriell gefertigten einheitlichen Produkten. Neben dem zurückhaltenden, eher einheitlichen Granit, gibt es lebhafte Kalk- und Marmorsteine, bei denen Ammoniten wie Intarsien erscheinen. Typisch sind Äderungen, d.h. Gefügegrenzen, die wie Risse aussehen. Diese sind gerade beim Marmor typisch, tatsächlich aber nur schwer von einem Riss zu unterscheiden. Bei der Abnahmebegehung wurden offenbar erst im Nachhinein die Äderungen erkannt und die Risse als Mängel „ausgebucht“. Risse in den Platten können nur beim Transport oder dem Verlegen entstehen, dann ist die Platte i.d.R. zerbrochen und wird ausgetauscht. Das unterschiedliche Farbspiel ist ein Kennzeichen der Natursteine, das beim Verlegen jedoch berücksichtigt werden sollte.
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