Erschienen im Oktober 2021 im Tagesspiegel.
Was steht ins Haus?
Ich bin Vermieter einer Wohnung, Baujahr Mitte der 1950er Jahre. Die Wohnanlage ist gepflegt, aber von Bauzustand her noch bauzeitlich, d.h. die Außenwände sind nicht gedämmt, die Fenster wurden nur leicht aufgearbeitet. Im vergangenen Winter kam es (erstmals!) zu Schimmelbildung an den Außenwänden. Als Schuldiger wird zuerst auf den Vermieter gezeigt, jedenfalls bin ich zunächst nachweispflichtig, dass alles in Ordnung ist. Was kann ich tun, der Mieter muss doch akzeptieren, dass es sich um einen Altbau mit dünnen Wänden und niedrigem Energiestandard handelt?
Was steht im Gesetz?
Natürlich entsprechen Haus und Wohnung nicht dem heutigen modernen Standard. Es muss mehr geheizt werden (das geht aus dem ENEV – Ausweis hervor) und eine nutzerunabhängige Wohnungslüftung gibt es auch nicht. An den Außenwänden bildet sich dann Schimmel, wenn z.B. die Dämmwirkung eines hier stehenden Schrankes größer ist, als die der Wand selbst: Innen steht ein 60 cm tiefer, gefüllter Kleiderschrank, die übliche moderne Außendämmung ist nur etwa 20 cm dick! Bei der Wohnungslüftung sieht es nicht besser aus: Früher waren die Fenster undicht, Eisblumen auf Einfachverglasung kein Mangel. Heute wird auch bei bauzeitlichen Fenstern mit modernen umlaufenden Lippendichtungen der natürliche Luftdurchgang unterbunden – die ehemalige freie Wohnungslüftung durch Undichtigkeiten wird nicht mehr akzeptiert. Moderne Wohnungen werden heute nutzerunabhängig zwangsbelüftet – eine zu hohe Raumluftfeuchtigkeit und Schimmelbildung treten fast nicht mehr auf. Es muss also darauf hingewiesen werden, dass alte Gebäude anders zu „bewohnen“ sind, als Neubauten – nicht nur die Heizkosten sind höher! Stoßlüftung, das gleichmäßige Heizen aller Räume und das Vermeiden von schadenträchtiger Innendämmung durch vor Außenwände gestellte Schränke sind die Hauptursachen von vermeidbarer Schimmelbildung. Die technisch-historischen Zusammenstellungen, z.B. DIN 4108/8 verweisen auf diese Grundsätze und die bauphysikalischen Folgen.
Und wie stehen Sie dazu?
Altbauten entsprechen vielfach nicht den heutigen Regeln der Technik. Dies muss der Bewohner beachten und es ist eine Grundsatzentscheidung, ob er hier einziehen will: mehr heizen, selbständig lüften und ggf. Einschränkungen bei der Möblierung. Dies muss dem Mieter klar benannt werden, damit er nicht aus Unwissenheit Schäden erzeugt. Eine ggf. erforderliche sachverständige Bewertung legt die bauzeitlichen Gegebenheiten zugrunde und überprüft Heiz- und Lüftungsverhalten, z.B. nach DIN 4108/8: Wenn das Gebäude dem bauzeitlichen Stand entspricht, liegt es nahe, dass Schimmelbildung eine nutzerbedingte Ursache hat. Es ist eben verlockend, eine günstige Altbauwohnung nur so wenig zu beheizen, wie einen Neubau. Auch ist der Hinweis „jedes Grad weniger heizen spart“ ist nicht auf alle Gebäudetypen anzuwenden!
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