Veröffentlicht im Tagesspiegel am 09.02.2019
Was steht ins Haus?
Wir bauen derzeit ein Einfamilienhaus, der Rohbau ist fertig, Bezug soll in ca. 4 Monaten sein. Gemauert wurde mit großen weißen Kalksandstein – Platten, die nur in den horizontalen Fugen vermörtelt wurden. Die senkrechten Fugen blieben alle offen. Im obersten Geschoss haben sich in den letzten Wochen einige horizontale Fugen geöffnet, d.h. das Mörtelbett ist abgerissen. Uns wurde gesagt, das sei unbedeutend, und würde später vom Putz abgedeckt. Wir haben nun Sorge, dass sich die Fugen vielleicht noch weiter öffnen und sich nach innen sichtbar abzeichnen.
Was steht im Gesetz?
Diese Bauweise mit großformatigen Mauersteinen ist heute üblich und wird fast nur noch ausgeführt. Die großen Plansteine verzahnen sich in Nut und Feder, dadurch kann die Stoßfugenvermörtelung entfallen – Brand- und Schallschutz werden dennoch eingehalten. Um die Maßhaltigkeit zu gewährleisten, gibt es keine cm breiten Mörtelfugen mehr, die Steine werden geklebt. Die Mauerwerkswände müssen neben dem Abtragen der Decken auch horizontale Lasten, z.B. aus Wind aufnehmen. Dies übernehmen die dickeren, tragenden Wände. Damit diese Wände horizontale Beanspruchungen aufnehmen können, müssen sie auch Lasten aus den Betondecken bekommen, sonst klaffen die waagerechten Mauerwerksfugen auf. Das funktioniert im untersten Geschoss durch die aufliegende Stahlbetondecke; im Obergeschoss, wo auf den Wänden nur das leichte Holzdach aufliegt, reicht die Auflast i.d.R. nicht aus. Die Besonderheiten dieser Mauerwerks-Bauart, offene Stoßfugen und spröde Verklebung statt elastischem Mörtelbett, können so bereits in der Rohbauphase zum Aufreißen der Fugen führen. Es sammeln sich alle Verformungen aus horizontalen Beanspruchungen in diesen Fehlstellen – den aufgerissenen Fugenverklebungen. Neben dem oben beschriebenen Mechanismus ist auch das Austrocknen der feucht eingebauten Mauersteine zu beachten. Sie ziehen sich infolge Schwinden um bis zu 1 mm auf 3 m Wandlänge zusammen – auch dies kann die Fugenabrisse unterstützen.
Und wie stehen Sie dazu?
Bei der vorliegenden Bauweise sind diese Risse nur schwer zu vermeiden. Sie können in den tragenden und auch in den dünneren nicht tragenden massiven Wänden auftreten, wenn sie im Dachbereich mit einem Ringbalken verbunden sind. Da diese aufgerissenen Fugen grundsätzlich einen Mangel darstellen, sind sie wieder kraftschlüssig zu schließen. Dazu ist ein Zementmörtel in die Tiefe der Fugen einzubringen. Erst dann kann die Wand geputzt werden. Der dünne Innenputz (ca. 1 cm) ist nicht in der Lage, diese Risse zu überspannen, wenn sich das Mauerwerk bei Windbelastungen bewegt. Weiterhin kann ein dickeres Vlies auf den Putz geklebt werden – und dann erst wird gestrichen. Allerdings kann sich ein gleicher Riss später in der benachbarten Lagerfuge bilden – wenn die eigentliche Ursache nicht abgestellt ist.
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