Eigeninitiative, wenn der bauende Nachbar sich nicht rührt.
Erschienen im Juli 2022 im Tagesspiegel.
Was steht ins Haus?
Wir wohnen in einer Wohnanlage aus den 1970er Jahren. Die auf dem Nachbargrundstück vorhandene Bebauung wird abgerissen und ein großer Neubau soll gleich an der Grundstücksgrenze entstehen. Erste Erschütterungen gab es schon zu Beginn des Abrisses. Beim Nachbargebäude soll die Tiefgarage unmittelbar an unsere frei stehende Giebelwand gebaut werden – und viel tiefer. Wir erwarten Risse und Setzungen bei uns. Eine Beweissicherung bei uns wurde vom Nachbarn nicht veranlasst, er rührt sich nicht. Sollten wir selbst tätig werden, um unser Haus zu schützen?
Was steht im Gesetz?
Eine unangenehme Situation, die Ihnen nach eingetretenen Schäden viel Sorgen bereiten kann. Selbstverständlich darf der Nachbar nach § 909 BGB bei seiner „Grundstücksvertiefung“ keine Schäden an Ihrem Haus erzeugen. Andererseits darf er bauen und muss Sie nach keiner Erlaubnis fragen, solange er auf seinem Grundstück bleibt. Entstehen Schäden durch seine Bauarbeiten, sind jedoch Sie nachweispflichtig, dass er schuldhaft gehandelt hat. Technisch ist dieser Nachweis schlüssig zu führen: Passt das Rissbild zu den Arbeiten nebenan? Sind die Verformungen „frisch“, manchmal rieselt noch der Sand aus dem alten Putz. Werden diese Schäden ohne einen Abgleich „vor den Bauarbeiten“ ausgewertet, dringt der Sachverständige, der die technische Zuordnung „das kommt von nebenan“ macht, vor Gericht regelmäßig nicht durch. Wird die richterliche Frage „kann es nicht sein, dass ein anderes Ereignis diese Schäden erzeigt hat“ ehrlich beantwortet, wird klar, dass Sie eine Erstbeweissicherung vor den Nachbarbauarbeiten brauchen. Nur dann können Sie einen nachweisbaren Abgleich vorlegen, der – sollte es zum Streit kommen – anerkannt werden kann. Der Nachbar ist nicht verpflichtet, Ihnen hier zu helfen oder gar diese Beweissicherungen zu bezahlen. Dies führt der Nachbar i.d.R. nur durch, wenn es zur nachbarschaftlichen Vereinbarung kommt, d.h. er etwas von Ihnen bracht, z.B. die Nutzung von Durchfahrten oder Lagerflächen
Und wie stehen Sie dazu?
Veranlassen Sie jetzt ganz schnell eine Beweissicherung der derzeitigen IST – Situation. Nehmen Sie sich dazu einen gerichtlich zugelassenen Sachverständigen und laden Sie unbedingt ihren Nachbarbauherrn zu den Begehungen ein. Nur so haben Sie eine gerichtsfeste Dokumentation der Situation vor den (weiteren) Schäden. Dann wiederholen Sie diese Begehungen sobald weitere Schäden aufgetreten sind (i.d.R. wenn der Rohbau fertig ist) und abschießend nach Beendigung der Bauarbeiten. Leiten Sie dem Nachbarn die Gutachten unverzüglich zu. Damit bringen Sie den ihm unter Zugzwang, Ihre Schäden zuerst anzuerkennen und anschließend zu sanieren. Ja, das kostet Ihr Geld, vielleicht war es auch umsonst, weil es keine Schäden gab – es ist jedenfalls der einzige Schutz für Sie – und den müssen Sie vorab einleiten!
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