Erschienen im Juni 2021 im Tagesspiegel.
Was steht ins Haus?
Das Treppenhaus unserer Wohnanlage, bei der kürzlich die Abnahmebegehung des Gemeinschaftseigentums stattfand, wurde gemäß Baubeschreibung in „Sichtbeton“ ausgeführt. Es ist eine Betonoberfläche, die nach dem Ausschalen offenbar nicht weiter bearbeitet wurde. Der Projektleiter des Bauträgers sprach von „SB 2“ und aufwendig nachbearbeiteten Flächen, der begleitende Gutachter fand es insgesamt als „in Ordnung“. Wir, die nun die Abnahme erklären sollen, haben noch viele Fragen zur Qualität. Wie wird der Sichtbeton beschrieben? Kann nachgebessert werden?
Was steht im Gesetz?
Sichtbeton ist derzeit sehr beliebt – insbesondere bei den Architekten. Die fertige Betonoberfläche ist der Negativabdruck der Schalung. Anforderungen an das Aussehen des (Sicht)Betons sind also immer Anforderungen an die Schalplatten und den Einbau des Betons. Da Witterung, die genaue Betonzusammensetzung (z.B. welche Kiessorten) die Art der Verdichtung des Betons (i.d.R. Rütteln) und weitere Faktoren das spätere Aussehen beeinflussen, ist es beim Beton wie beim Holz: Es ist ein Naturprodukt mit unregelmäßigem Aussehen. Ein gleichmäßiges Erscheinungsbild wie bei einer industriellen Fertigung ist nicht möglich – und i.d.R. auch nicht gewünscht. Die Einteilung der Sichtbetonklassen SB 1 bis SB 4 erfolgt auf der Basis eines Merkblattes des Deutschen Beton- und Bautechnik Vereins. Die Güte SB 2 wird als weitgehend einheitliche Fläche in Farb- und Struktur beschrieben. Allerdings sind kleine Fehlstellen und Grate zulässig. Ausbesserungen an den Schalplatten hinterlassen Abdrücke, die Stöße der Elemente erkennbare Kanten. Diese sind zulässig, ein regelmäßiges Raster wird nicht vorliegen. Da eine Wand nicht am Stück betoniert werden kann, bleiben Schüttlagen sichtbar. An undichten Schalungsstößen verliert der Beton Wasser, zurück bleiben Kiesnester. Erst bei höheren Sichtbetonklassen müssen diese Fehlstellen vermieden werden – es entstehen gleichmäßigere Flächen mit einer einheitlichen Oberflächenstruktur.
Und wie stehen Sie dazu?
Grundsätzlich können die fertigen Oberflächen durch aufwendige Betonkosmetik nachgearbeitet werden. Die Bewertung, ob es sich um „SB 2“ handelt, ist schwierig und für den Laien oftmals nur schwer nachzuvollziehen. Verfärbungen, Rostläufer, kleine Kiesnester und Fehlstellen sind in gewissem Maß zulässig. SB 2 ist eine raue Oberflächengestaltung, die eher zu einem Industriegebäude, als in einem Treppenhaus zum hochwertigen Wohnen zu passen scheint. Vieles ist Geschmacksache, anderes wird gut geredet. Lassen Sie sich die Bewertung von Ihrem Sachverständigen, der die Abnahmebegehung durchgeführt hat, erläutern. Vielleicht ist es sinnvoll, einzelne Bereiche punktuell nachzuarbeiten, ohne das gesamte Erscheinungsbild qualitativ anzuheben. Auffällige Fehlstellen sollten jedenfalls retuschiert werden.
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