Kleine Ursache, große Kosten
erschienen in 2012 auf IBR-Online
Objektbeschreibung
In den 60-er Jahren wurden in einem Villengebiet einfache Wohnungsbauten mit nicht ausgebauten Dächern errichtet.
Nach Ablauf der Sozialbindungen wurden auf vier Gebäuden zweigeschossige Dachaufbauten mit großen, ca. 10 m weit spannenden Zinkgauben gesetzt (Bild 1).
Das Steildach wurde mit Schieferplatten gedeckt, die Gauben mit ca. 80 cm breiten vorprofilierten Zinkblech- Scharen mit Doppelstehfalzen in Bogenform verkleidet.
Die Übergänge der Steildachdeckung zum gebogenen Zinkblech –die Kehlen- wurden aus ca. 25×25 cm großen Blechen, die untereinander und am Gaubenrand verlötet waren, hergestellt. Diese Kehlen wurden sowohl unter die Gaubenscharen, als auch unter die Schieferdeckung geführt.
Schäden
Einige Jahre nach Fertigstellung kam es zu Feuchteschäden in einer DG- Wohnung. Daraufhin wurden die Gaubenkonstruktionen untersucht. Zahlreiche verlötete Stoßfugennähte der aus Einzelblechen zusammengesetzten Kehlen waren aufgerissen (Bild 2), teilweise auch die Scharen an den Stehfalzen.
Es wurde festgestellt, dass die Ursache des Feuchtigkeitseinbruchs nicht die Klempnerarbeiten waren. Allerdings kam es zur Auseinandersetzung mit dem Dachdecker und der Bauleitung wegen der festgestellten Mängel an den Kehlen sämtlicher großer Zinkgauben.
Mängel an den Gauben
Aufgrund der Geometrie des Übergangs Steildach zur Bogengaube nimmt die Kehle nahezu jedes Gefälle zwischen „Null“ – waagerecht und „steil“ – fast senkrecht an. Die Kehlen mussten also wasserdicht ausgeführt werden. Dies erfolgte durch Verlöten der einzelnen Bleche sowohl untereinander, als auch am Gaubenrand: so sollte eine wasserdichte Rinne entstehen.
Eine spannungsfreie Ausdehnung der Bleche aus Temperaturbeanspruchung war jedoch nicht möglich. Bei einer Kehlenlänge von ca. 10 m und einem DT von 80 K ergeben sich Verformungen von bis zu 1,8 cm. Die Bleche wölbten sich auf, die Lötnähte rissen ab, teilweise kam es zu Einrissen an den Gaubenscharen.
Sanierung der Kehlen
Zur Sanierung mussten die Kehlen erneuert werden, sie mussten verschiebbar ausgebildet werden. Die Kehlen konnten weiterhin aus kleinen Einzelblechen hergestellt werden (Bild 3), mussten jedoch mit Haften nach allen Seiten verschiebbar bleiben. Ein Verlöten war ausgeschlossen.
Da die Kehle als Wasser führende Ebene unter der Eindeckung des Steildachs und unter der Gaubenverblechung liegt, mussten die neu einzubauenden Kehlbleche ebenfalls dort eingebaut werden. An der Steildachseite konnten dazu die letzten Reihen Schieferdeckung ausgebaut werden, die Zinkverkleidung der Gauben musste jedoch komplett demontiert werden. Die verdeckten Befestigungen in den Stehfalzen waren nicht zerstörungsfrei lösbar, eine bereichsweise De- und spätere Wiedermontage war nicht möglich.
Der Austausch der Kehlenbleche erforderte somit die komplette Erneuerung aller Zinkgauben.
Je Gaube ergaben sich Mängelbeseitigungskosten von ca. € 18.000,– , die Kosten der Erneuerung der Kehlen waren dabei unbedeutend.
Sanierung Unterdach
Nach Abnahme der Zinkverblechung wurde festgestellt, dass auf den gesamten Holzverschalungen der Gauben (incl. der Kehlen) nur eine Bitumenbahn als Unterlage aufgebracht war, ein regelkonformes Unterdach lag nicht vor. Da die runde Gaubenform alle möglichen Dachneigungen zwischen waagerecht und senkrecht annimmt, muss auch das Unterdach entsprechend ausgebildet werden. Die erforderlichen Maßnahmen reichen von „wasserdicht“ (kleiner als 12° Dachneigung) bis „regendicht“ für den steilen Bereich. Auf eine vollflächig aufgebrachte erste Lage Schweißbahnen wurde am oberen Kopfbereich eine weitere Lage aufgeschweißt und die Kehle durchgehend mit 2 Lagen Schweißbahnen ausgeführt.
Kleine Unachtsamkeit – großer Schaden
Auf Dächern herrschen hohe Temperaturen, nach VOB/C DIN 18339 sind bis zu 100K als Temperaturdifferenz anzusetzen. Bleche haben einen hohen Temperaturausdehnungskoeffizienten, sie verformen sich bis 2 mm je Meter Blechlänge. Die Kräfte aus diesen Verformungen kann keine Lötnaht aufnehmen, daher sind in regelmäßigen Abständen (6-8 m) Dehner einzubauen.
Im geschilderten Fall wurde zudem– fälschlich- davon ausgegangen, dass diese aus gelöteten Blechen hergestellten Kehlen wasserdicht seien. Temperaturverformungen wurden nicht bedacht. Logische Folge waren die abgerissenen Lötnähte, in der Folge mussten jedoch die gesamten Blechgauben erneuert werden.
Als Kehlen wurden nun verschiebbare Bleche mit Haften auf einer wasserdichten Unterlage, wiederum unter den Gaubenrand eingebaut.
Der Fall zeigt auf, welche großen Folgen sich aus kleinen Unachtsamkeiten ergeben können. Eine einfache Mängelbeseitigung war nicht möglich, die Frage der Unverhältnismäßigkeit der aufzuwendenden Kosten stellte sich nicht.
Da das ausführende Unternehmen zur Mängelbeseitigung nicht mehr verfügbar war, richtete sich der Anspruch alleine gegen die Bauüberwachung, der die mangelhafte Ausführungsart hätte auffallen müssen.