Terrassensanierung: Systemumstellung!
veröffentlicht im August 2012 auf IBR-Online
Flachdachabdichtungen versagen regelmäßig durch Schäden. Zumindest sind es Feuchteflecken, in schlimmeren Fällen auch Wassereinbrüche. Da das Flachdach das oberste genutzte Geschoss schützt, wird i.d.R. Inventar beschädigt, häufig werden diese Räume unbenutzbar. Bevor eine Sanierung beginnen kann, muss die Undichtigkeit gefunden werden. Bei den überwiegend verbreiteten Warmdachaufbauten ist mit dem Versagen der Abdichtung unmittelbar eine Durchfeuchtung der Dämmung verbunden. Bei der Leckage an der oberen Abdichtung hat sich entweder nur eine Naht geöffnet oder es liegt ein mechanisch verursachtes Loch vor. In der Folge läuft die Dämmung voll, die Dampfsperre springt als Abdichtung ein und verhindert im unglücklichsten Fall das umgehende Bemerken des Schadens an der (oberen) Abdichtung: die Dampfsperre hält, bis die Dämmung vollständig verrottet ist. Nun kommt nach dem Schaden im obersten Geschoss noch der Schaden an der Warmdachkonstruktion dazu, der häufig größer ist, als eine malermäßige Überarbeitung der Zimmerdecke. Die Dampfsperre wird nicht dauerhaft die Abdichtung ersetzen können, das in der Konstruktion aufgestaute Wasser tritt an einer Fehlstelle der Dampfsperre aus, die keinen örtlichen Zusammenhang zur eigentlichen Leckage an der oberen Abdichtung hat. Die Suche nach dem Loch in der Abdichtung beginnt.
Ob elektrostatische Verfahren, Rauchgas- oder Thermographieuntersuchungen zum Einsatz kommen – der Aufwand ist beträchtlich, der Erfolg nicht garantiert, so kommt es häufig zum „Schuss aus Kanonen“[1] und zur vollständigen Erneuerung des Dachaufbaus.
Wie wird dann das Dach erneuert? Welche Konsequenzen sind insbesondere aus der Schadenssuche zu ziehen? Hier wird von einem Fall berichtet, bei dem eine umfassende Sanierung als Chance zur Systemumstellung genutzt wurde.
Ausgangslage waren Undichtigkeiten an der Wohnungsdecke unterhalb der Terrasse, die immer wieder an verschiedenen Stellen auftraten. Eine Bauteilöffnung der darüber liegenden Terrasse zeigte schnell das erwartete Dilemma: die Dämmung war vollständig durchfeuchtet, die Dampfsperre hatte überwiegend die Funktion der Abdichtung übernommen. Ein Austausch der Dämmung war unvermeidbar, der schlimmste Fall der erforderlichen Komplettsanierung eingetreten. Die Suche nach Undichtigkeiten war dennoch wichtig, schließlich galt es, Fehler der Ersterstellung nicht zu wiederholen. Eine der Ursachen war ein typischer handwerklicher Fehler: der Anschluss der hochgezogenen Abdichtung an den Blendrahmen am Terrassenaustritt musste auf einer Höhe von 10 cm aus der Waagerechten über eine Hohlkehle an den schmalen Blendrahmen geführt werden. Dort sollten die steifen Bahnen in engem Winkel so geführt werden, dass die Rinne vor dem Terrassenzugang unmittelbar vor dem Blendrahmen eingesetzt werden konnte: Handwerklich ist es kaum möglich, auf dem engen Raum dies fachgerecht auszuführen (s. Bild 1).
Dieser Fehler sollte beim Neuaufbau unbedingt vermieden werden, weiterhin galt es, eine reparaturfreundliche und revisionierbare Lösung umzusetzen, statt aufgrund einer Leckage nochmals die Dämmung erneuern zu müssen. Das System „Warmdach“ wurde auf ein Umkehrdach umgestellt: Die Abdichtung wird als unterste Lage unmittelbar auf die Rohbaudecke aufgebracht, anschließend wird die Dämmung nur lose verlegt und darauf werden die alten Terrassenplatten aufgeständert.
Das im Rohbau nicht vorhandene Gefälle wurde mit aufgeklebten Schweißbahnen modelliert. Für die handwerkliche Ausführung der Aufkantungsanschlüsse standen nun statt ehemals 8 cm fast 20 cm zur Verfügung! Die extrudierte (statt beim Warmdach expandierte) Dämmung muss grundsätzlich dicker sein (größere Wärmeleitfähigkeit λ) und ist teurer als bei der Ursprungskonzeption. Weiterhin ist bei Umkehrdächern gemäß DIN 4108-2 der Dämmwert um ΔU = 0,03-0,05 W/m²K für das die Dämmung unterströmende warme Wasser zu erhöhen. Die Dämmung und ein Filtervlies werden lose verlegt, anschließend wird der Aufsatz für den zweistufigen Einlauf aufgesteckt. Die Stelzlager für Einlaufrinne und Plattenbelag werden auf die trittfeste Dämmung aufgebracht, das modular aufgebaute Umkehrdach ist fertig gestellt.
bei einer möglichen nächsten Sanierung: der gesamte Aufbau kann ohne Zerstörung rückgebaut werden, insbesondere abschnittsweise auf der Terrasse; eine Überprüfung und Sanierung „auf eigener Fläche“ ohne Bauaufzug ist möglich. Durch die vollflächige Verklebung der (einzigen) Abdichtungslage gibt es kein Hinterlaufen der Abdichtung: das Leck liegt auf der entgegen liegenden Seite des inneren Feuchteflecks. Das Auffinden des Lecks ist sehr einfach, die Reparatur ebenso.
Zur wesentlich geringeren Fehlertoleranz wegen weniger „Bauteile“ und geringerer Schweißarbeiten kommt zudem eine höhere Dauerhaftigkeit als bei Warmdächern. Die Abdichtung ist durch die Dämmung vor mechanischen Beschädigungen und der UV- Strahlung geschützt.
Das Umstellen der Terrassenkonzeption zum Baukastensystem Umkehrdach ist bei der Sanierung um ca. 15 % teurer. Eine erneute Überarbeitung muss sicherlich später als ohne Systemumstellung erfolgen und ist in jedem Fall kostengünstiger. Spätestens dann macht sich dieser Aufwand bezahlt: es lohnt sich, zur Komplettsanierung über eine Umstellung der Terrassenkonzeption nachzudenken. Auch der Handwerker wird es Ihnen danken!
[1] Siehe M. Zöller im IBR-Beitrag 07/2011: „Zuverlässige Flachdächer: Immer mit Gefälle?“
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